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"Spätestens wenn es einen McDrive im Hochland gibt, werde ich nicht mehr nach Island fahren”, sagte mir ein deutscher Tourist, der bereits seit 20 Jahren jedes Jahr nach Island reist und die Veränderungen im Land nicht nur begrüßt. Der Tourismus boomt, ist der am stärksten wachsende Wirtschaftsbereich in Island. Nach dem Zusammenbruch der Finanz- und Spekulationsblase ist es neben der Fischerei auch einer der wenige Bereiche, der keine Einbußen zu verzeichnen hat. Dank deutlich gestiegener Kaufkraft der Touristen durch die Schwäche der isländische Krone.

Auch immer mehr Radfahrer entdecken diese Insel. An manchen Tagen gleicht deshalb das Flughafengebäude in Keflavík einem mobilen Fahrradladen. Natürlich sind wir Radfahrer immer noch eine kleine Minderheit. Der Großteil der Touristen kommt mit dem Auto oder lässt sich kutschieren. 
 
Wie viele Touristen, die kreuz und quer über die Insel kurven, Island wirklich auf Dauer verträgt, ist schwer zu sagen. Manchmal hat man schon das Gefühl (beispielsweise, wenn die Staubfahne auf den Schotterpisten nicht aufhören will), es sind bereits zu viele. Ein Großteil des Verkehrs in den Sommermonaten wird durch die motorisierten Touristen verursacht, hinzu kommt der Wochenendverkehr der Isländer. So werden viele Straßen neu gebaut oder verbreitert und zugleich asphaltiert, knackige Steigungen entschärft und im Hochland Brücken gebaut. Dort wo vor ein paar Monaten noch Wüste war, ist nun eine Trasse geradewegs durchs Lavafeld gelegt worden. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren die Ringstraße neu verlegt. Tunnels wurden unter Fjorde gebuddelt oder gar Kreuzungen unter Tage angelegt. Neue Stauseen, die das Wasser für Kraftwerke liefern, verändern die Landschaft und damit auch die Straßenführung.

Dieser Reiseführer bietet eine oft kilometergenaue Routenbeschreibung. Wir könnten – wie andere Islandreiseführer – mehr pauschal die Landschaft beschreiben, dann würde sich zwar auch nicht weniger im Land verändern, es würde aber dem Leser weniger auffallen. Doch wir wollen weiterhin so exakt wie möglich berichten und gehen bewusst das Risiko ein, dann auch bei einigen Beschreibungen bereits wieder veraltet zu sein. Für die Neuauflage sind sämtliche Etappen und der Info-Teil nicht nur komplett überarbeitet, sondern auch in großen Bereichen völlig neu geschrieben worden. Viele neue Routenbeschreibungen wurden aufgenommen. In diesem Buch werden nur Straßen beschrieben, die ich auch geradelt bin. (Deshalb kommen neue Routen auch erst nach erfolgter „Begehung“ in die Neuauflage). Auf Beschreibungen Dritter möchte ich mich nicht verlassen. Und übrigens: Keine der Etappen ist mit dem Auto abgefahren worden (was mir immer wieder gern vorgeworfen wird, wenn sich etwas verändert hat und sich der Leser zu Recht ärgert). Die Folge der Rad-Recherche: Es ist schlicht unmöglich, innerhalb eines Sommers alle Routen abzuradeln. Nur zum Hintergrund: In diesem Buch sind 7578 Radkilometer beschrieben. Selbst wenn man den gesamten Sommer in Island unterwegs sein würde, bräuchte man bei der in Island durchschnittlich zu erwartenden Tageskilometerleistung von etwa 60 km (im Hochland noch weniger) mindestens 126 Tage, um alles mit dem Rad abzufahren. Es ist also in einem Sommer nicht zu schaffen. So bin ich auf Tipps von anderen Radfahrern angewiesen. Jeder noch so kleine Hinweis ist willkommen.

Und noch eine Anmerkung: Island ist Natur pur, und Natur verändert sich. Der Mensch ist dort nur Gast, in den meisten Gebieten nur für wenige Wochen im Jahr. Aber auch in dieser Zeit wird er nur geduldet und manchmal auch durch starken Wind vertrieben. Straßen unterliegen Veränderungen. Veränderungen, die plötzlich auftreten können: Straßen werden überschwemmt, ganze Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten. Flüsse treten über die Ufer oder bilden neue Läufe. Man sollte sich auf Überraschungen einstellen und sich in Geduld üben, wenn man im Hochland festsitzt.

Insgeheim suchen auch viele Radfahrer diese Herausforderung. Wer einmal bis zum Bauch im Gletscherwasser stand, hat halt was zu erzählen. Zum Glück kann man immer noch das wilde Island erleben. Genug Flüsse sind nicht überbrückt, es gibt zahlreiche Pisten, die nicht markiert sind. Auf ihnen kann man sich leicht verfahren und lange auf eine Begegnung warten. Man muss mit den stündlichen Veränderungen der Straßensituation leben, also (über)lebt man (nur) mit der Natur. Das erzeugt jenes unbeschreibliche Kribbeln im Bauch, das unweigerlich aufkommt, wenn man ins Hochland abbiegt. Von nun an hofft man auf den Wetter-Gott, dass die Flüsse hoffentlich nicht zu tief sind, die Piste nicht zu rau, und der Proviant ausreicht.

In punkto Straßenqualität hat sich in den Jahren viel getan. In kaum einem anderen europäischen Land wird so stark an der Straßenführung herumgedoktert. Zum Leidwesen eines Radreiseführers, denn in Island wird lieber gleich eine komplett neue Trassenführung ins Lavafeld gesprengt. Doch eines ist beruhigend: Die Straßenqualität ist durchweg besser geworden. Viel Geld wird in den Straßenbau gesteckt; in Island hofft man, damit der Landflucht begegnen zu können. Gute Straßen locken allerdings auch mehr Verkehr an. Am Wochenende schauen die Isländer auf den Wetterbericht und entscheiden dann, wo sie die freien Tage verbringen: dort wo die Sonne scheint. „In drei Stunden kann ich überall auf der Insel sein“, sagte mir ein Autoverkäufer in Reykjavik. Der Asphalt verändert das Land. Der Verkehr hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Auch im (noch weitgehend unasphaltierten) Hochland. So manch eine Route kann man – besonders am Wochenende – nicht mehr guten Gewissens empfehlen. Allerdings fehlt es an Alternativen. Viele Radfahrer weichen bereits auf weniger befahrene Jeeptracks aus. Wir tragen dem Rechnung und haben wiederum weitere neue Routen durchs Hochland aufgenommen, die manchmal noch so jung sind, dass sie nicht in allen Karten abgedruckt sind. Wie weit die Asphaltierung fortgeschritten ist, wird man diesem Buch nicht (mehr) entnehmen können. Wir würden immer der Entwicklung hinterher hinken.

Mit einem guten, robusten Fahrrad (und damit meine ich ein Mountainbike) können fast alle in diesem Führer beschriebenen Straßen befahren werden. Gutes Wetter vorausgesetzt. Isländische Straßen werden schnell sehr sandig und staubig, und nach starken Regenfällen auch glitschig und morastig. Bei schwierigen Passagen hilft deshalb manchmal nur schieben. Voran kommt man immer – irgendwie. Man sollte sich bei der ersten Tour durch Island nicht zuviel vornehmen. Was ich mir abgewöhnt habe, ist es, einen Plan zu schmieden. Oft habe ich spontan an Kreuzungen entschieden, wo ich jetzt lang fahre. Manchmal half auch das Handy und die Nummer für den Wetterbericht. Ein „normaler“ Kilometerplan lässt sich in Island nie einhalten. Zu unterschiedlich sind die Straßenqualitäten, zu weit liegen die nächsten Einkaufsmöglichkeiten auseinander. Man kann durchaus 170 km an einem Tag (besonders in den „hellen“ Monaten Mai, Juni und Juli und bei Rückenwind) radeln. Manchmal, auf schwierigen Pisten im Hochland, ist man aber bereits mit 25 „erarbeiteten“ Kilometern nach einer achtstündigen Radtour bereits zufrieden.

Neben einer guten Ausrüstung ist auch genügend Zeit eine der Grundvoraussetzungen für einen gelungenen Urlaub. Die Liebe zu diesem Land ist nicht von den Gängen des Rades und der Qualität der Straßen abhängig, sondern einzig und allein von der Einstellung, die man mit auf die Insel bringt. Eine Fahrradtour in Island ist ein hautnahes Erlebnis. An einem einzigen Tag kann man am Fuß eines Gletschers entlang radeln, in heißen Quellen baden, durch bizarre Lavafelder im Zickzackkurs seinen Weg suchen und am Ende des Tages im sandig-steinigen Hochland sein Zelt aufstellen.

Mit dem Fahrrad fahren in Island mittlerweile nicht nur Touristen Allerdings -außer ein paar Freaks vom isländischen Mountainbike-Club – bevorzugt der Isländer den Kurztrip, zu dem er mit dem Rad im Autogepäck zum Ziel fährt. Radfahrer gelten unter Isländern als nette Verrückte, die zugleich belächelt und bewundert werden. Eine Fahrradtour durch Island muss gut vorbereitet sein. Dieser Fahrradreiseführer soll dabei unterstützen.

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